Erfolgreiche Frauen in der Computerbranche

Vom Mythos der weiblichen Technikdistanz

© Petra Öllinger
(erschienen in Psychologie in Österreich, Wiener Universitätsverlag, Wien, 2001)

Zusammenfassung

Weisen Frauen tatsächlich eine natürliche und selbstverständliche Distanz zu Technik und technischen Entwicklungen auf? Oder sind vielmehr Variablen der Sozialisation ausschlaggebend für ein scheinbar mangelndes Interesse an diesen Themen? Basierend auf einer qualitativen Studie von Paula Roberts (Androgynous Women and Computing: A perfect Match?), werden Faktoren diskutiert, die einen Einfluß darstellen. Sie untersuchte 1996 in Australien 20 Frauen im Alter von 20 bis Mitte 50 Jahren, die in der Informationstechnologie tätig sind. Roberts Erklärungen für deren Erfolg in dieser technischen Sparte finden sich in der elterlichen und schulischen Erziehung. In dieser Arbeit sollen weitere Ansatzpunkte erläuterert werden woe das Cerältnis von Frauen zu Computern, die Rolle von weiblichen Rollenbildern und der Zugang zu nicht traditionellen Berufsfeldern. Weiters soll die Frage erörtert werden, welche Möglichkeiten bestehen, um die Technikdistanz zu verringern.

1. Einleitung

Bis zur Renaissance wurde Natur gleichgesetzt mit weiblich. Durch ein Anwachsen der technischen und wissenschaftlichen Kenntnisse über die Natur, die zunehmend in den Mittelpunkt traten, sollte eine praktische Herrschaft durch den Mann darüber gewonnen werden. Vollständig konnten Frauen aber nicht daraus vertrieben werden. Sie waren die Assisistentinnen ihrer Männer und Brüder, wenn es darum ging, uninteressante und langweilige Tätigkeiten durchzuführen, wie das Beobachten des nächtlichen Sternenhimmels. Erst durch diese Routinearbeiten und mühevollen Aufzeichnungen, die von den Frauen erledigt wurden, konnten großen Erkenntnisse und wissenschaftlichen Berechnungen erfolgen (Alic, 1987). Ada Lovelace war die erste Programmiererin. Sie entwickelte im letzten Jahrhundert eine Befehlsprache für die Analytische Maschine, die als Vorläuferin des heutigen Computers gelten kann. Vom 1943-1946 lief in den USA das ENIAC-Programm (Electronic Numerical Integrator And Computer), das vorwiegend dazu diente, geeignete ballistische Flugbahnen zu eruieren. Bedingt durch den Zweiten Weltkrieg herrschte ein Mangel an geeigneten Männern, deshalb wurden vorwiegend qualifizierte Collegestudentinnen, von denen viele ein Mathematikstudium absolviert hatten, zu Berechnungen eingesetzt. Sie wurden Computer genannt (to compute = berechnen). An der Entwicklung der Informationstechnologie waren maßgeblich Frauen beteiligt. Sie wurden jedoch zusehends daraus (wieder-) verdrängt (Hoffmann, 1987). In der Time-Ausgabe vom März 1999 zum Thema Wissenschaftler und Denker des 20. Jahrunderts findet sich ein einziger Artikel über eine Frau, drei andere werden mit wenigen Zeilen erwähnt. Zum Thema Computerentwicklung findet sich zwar die Geschichte Alan Turings, ein Statement zu Grace Hopper, der Entwicklerin der COBOL Programmiersprache in den 60igern, fehlt jedoch.

2. Sozialisationseinflüsse

Welchen Einflüssen waren die Frauen während ihrer Erziehung unterworfen bzw. wer hatte großen Einfluß darauf, daß sich Interesse im Bereich der Technik entwickelte?

2.1. Eltern

Die meisten Frauen in Roberts Studie beschreiben ihre Mutter als stark und unabhängig. Ihre Mütter kombinierten traditionelle Aufgaben mit bezahlter Arbeit außer Haus. Viele hatten eine außergewöhnliche Lebenserfahrung. Eine Mutter bekleidete das Amt einer hohen Offizierin in der Britischen Armee, eine andere war Mitglied in der Royal Airforce. Einige sind mit ihrer Familie nach Australien ausgewandert, nachdem sie ihre Karriere abgebrochen (z.B. als Lehrerin) haben und arbeiteten in ihrer neuen Heimat u.a. im landwirtschaftlichen Bereich. Die Väter werden als nicht-traditionell dargestellt, sie verrichteten auch Hausarbeiten. Weiters werden die Eltern mit Attributen wie abenteuerlustig, risikobereit beschrieben, als Menschen, die gewillt waren, eine Chance zu ergreifen und geeignete Gelegenheiten schnell erkannten (quick to seize an opportunity, S. 103). Eine Frau verbrachte ihre Kindheit beim Vater, der aus beruflichen Gründen den Australischen Kontinent durchquerte. Sie wechselte oft die Schule und den Wohnsitz. Sie beschreibt diese Phase allerdings als sehr lehr- und erfahrungsreich.

Technisches Interesse im speziellen wurde bei keiner von ihnen gefördert, sondern Selbstbewußtsein und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. In every case neither parent had exerted direct influence on the subject’s career choice, but both parents encouraged their daughter to believe she could do ‚anything she set on her mind‘ (S.104). Es stellt sich die Frage, ob Eltern, die selbst technikbezogene Berufe ausüben, das Interesse dahingehend noch verstärkter unterstützen können? Dazu gibt es unterschiedliche Antworten. So besteht kein Zusammenhang zwischen dem Aufwachsen in einer Techniker- oder Ingenieurfamilie und dem Berufswunsch der Tochter (Fauser & Schreiber, 1990, zitiert nach Dieplhofer-Stiem, 1991). Ingenieurinnen fühlen sich hingegen vor allem durch ihre Väter beeinflußt in ihren Interessen und ihren Berufswünschen (Janshen & Rudolf, 1987). Vergleichbar mit den Ergebnissen von Roberts ist die Untersuchung von Roloff (1993). Demnach berichten Chemikerinnen und Informatikerinnen von einem sehr frühen Interessean an Naturwissenschaft, wobei sie sich aber die Entstehung nicht erklären können. Die Einstellung der Eltern den Interessen ihrer Töchter gegenüber war neutral aber unterstützend.

2.2. Schule

Mit Ausnahme von zwei Frauen wurden alle in koedukativen Schulen unterrichtet. Die meisten berichten darüber, daß sie keine Probleme mit ihren männlichen Schulkollegen gehabt hätten in den naturwissenschaftlichen Fächern. Sie schätzten ihre Fähigkeiten gleich gut oder sogar besser als die der Jungen ein. Sie fühlten sich auch nicht unterschiedlich behandelt. Nur wenige Lehrerinnen unterrichteten sie in diesen Fächern, diese wurden aber als sehr selbstbewußt gesehen. Männliche Lehrer waren zwar hilfreich, aber für die spätere Studien- bzw. Berufswahl wenig beeinflussend. Zahlreiche empirische Befunde belegen, daß Mädchen allerdings im koedukativen informationstechnischen Unterreicht oft ausgegrenzt werden. So wird ihnen von den männlichen Mitschülern mangelndes Wissen und Motivation vorgeworfen (Horstkemper, 1987). Die Lerninteressen der von Janshen und Rudolph befragten Frauen sind sehr breitgefächert, trotzdem zeigt sich ein Interessenschwerpunkt in den naturwissenschaftlich-mathematischen Fächern. Die Rolle der Lehrer ist nicht immer eindeutig zu erkennen. In einigen Fällen bestand eine Kombinaion aus Lieblingsfach und Lieblingslehrer, sodaß die Mädchen sich besonders dafür interessierten und auch gute Leistungen erbrachten. In anderen Fällen wiederum ist der Einfluß der Lehrkraft nicht von großer Bedeutung. Die Leistungen der Mädchen waren meistens in allen Fächern sehr gut. (Janhsen & Rudolph, 1987). Empirische Befunde zeigen, daß Jungen von den Lehrkräften oftmals mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird. Begründet wird dieses Verhalten unter anderem damit, daß Jungen aufgrund ihres aggressiven Verhaltens eine erhöhte Aufmerksamkeit auf sich ziehen, Mädchen sich dadurch weniger beachtet fühlen (vgl. Horstkemper, 1987, 1991; Rudolph & Janshen, 1987).

2.3. Vertrauen in die eigene Leistung

Während der Schulzeit stellten die Frauen ihre Leistungen den Jungen gleich bzw. über deren Fähigkeiten, fühlten sich nicht anders gegenüber ihren Schulkollegen und wurden auch nicht anders behandelt. Sie hatten keine Probleme, die ihnen gestellte Aufgaben zu meistern und betrachteten ihr Können als selbstverständlich. Gute Leistungen brachten sie in allen Fächern. Die Ingenieurinnen von Janshen und Rudolph (1987) zeigen eine vergleichbare Einstellung. Die Ingenieurinnen schreiben den Erfolg ihrer eigenen Intelligenz und ihrem Bemühen zu, Mißerfolg wird hingegen auf mangelnde Anstrengung zurückgeführt. Durchhaltevermögen und ein disziplinierters Verfolgen der selbstgesteckten Ziele sind Kennzeichen ihres Arbeitens. Sie verfügen auch über eine gute Selbsteinschätzung, wie folgende Aussage zeigt: Paß mal auf. Ich bin sowieso grundsätzlich der Meinung, daß ich jedes Problem rauskriege, wenn ich mir genug Mühe gebe. Dann fragt sich nur, ob sich das überhaupt lohnt, da meine Zeit und meinen Intellekt reinzutun, ja, zu investieren. Also, daß ich das alles rauskriege ist eigentlich keine Frage (S. 98). Roloff (1993) schreibt den von ihr befragten Chemikerinnen und Informatikerinnen Pioniergeist zu. Sie formuliert diesbezüglich: Die Frauen zeigten auch eine besondere Art, mit sich selbst umzugehen. Sie hatten so etwas wie Pioniergeist. Sie betonten den Reiz und die Herausforderung, etwas Untypisches zu machen, gegen den Strom zu schwimmen oder nicht immer nur Mitläuferin zu sein (S. 22). Vetrauen in das eigene Können und der Reiz, Risiken einzugehen, sich Schwierigkeiten zu stellen, zeugen von Selbstbewußtsein. Ähnliche Einstellungen zeigen auch die Computerexpertinnen, Ingenieurinnen in Roberts Studie. Diese Aussagen stehen im Gegensatz zu Befunden vieler Untersuchungen, die die unterschiedliche Selbsteinschätzung von Fähigkeiten und Begabungen sowie die Erfolgserwartung von Mädchen und Jungen zum Thema haben. Horstkemper (1991) stellt einige Studien aus dem deutschsprachigen und US-amerikanischen Raum dar. Demnach schätzen Mädchen ihre intellektuelle Leistungsfähigkeit niedriger ein als gleichaltrige Jungen, ihre Erfolgserwartung ist ebenfalls geringer, auch dann, wenn ihre Leistungen besser als die der Jungen sind. An diese Problematik anknüpfend, seien Möglichkeiten einer Informatiklehrerin genannt wie, speziell im Informatikunterreicht, die Mädchen zu mehr Vertrauen ermutigt werden können. Erwähnt werden soll, daß diese Vorschläge auch im Erwachsenenbereich angewendet werden können:

  • Es erscheint als sinnvoll, Scheinwissen der Jungen von deren wirklichen Wissen zu trennnen.
  • Mädchen benutzen Fachausdrücke zum Beispiel oft erst, wenn deren Bedeutung geklärt ist.
  • Mädchen warten auf genaue Anweisungen, diese führen sie auch genau aus. Das Resultat sind mehr Arbeitserfolge (Weinbach, 1991).

2.4. Weibliche Rollenbilder

Mütter und Lehrerinnen bei Roberts werden als sehr starke Frauen beschrieben. Können weibliche Rollenbilder das Vertrauen von Mädchen und Frauen in technische Leistungen erhöhen? Immer wieder wird die Bedeutung von weiblichen Vorbildern in Technik und Naturwissenschaft diskutiert. Oftmals berichten Frauen darüber, daß sie aus Ermangelung von weiblichen Rollenbildern nicht in diese Bereiche vorgedrungen sind. Richardson und Kavanagh (1996) führten in Limerick, Irland, einen sogenannten Role Model Day durch. Dabei hatten die Studentinnen (Studien von Computerwissenschaften etc.) Gelegenheit, mit Frauen zu diskutieren, die bereits beruflich tätig sind. Viele der Studentinnen erlebten diesen Role Model Day als sehr informativ. Sie bekamen den Eindruck vermittelt, daß sie es durchaus in der Computerwissenschaft schaffen können. Auch Hestermann (1999) weist darauf hin, daß Mädchen sich bei ihrer Berusfwahl an ihnen bekannten Vorbilder orientieren. Jedoch sind im technischen Bereich Frauen nicht sehr präsent. Hestermann schließt den Umkehrschluß aus, daß Minderheiten quasi als Unterstützungsverein gelten können aus. Sie erwähnt in ihrem Artikel das Faktum, daß die Problematik, Mädchen für diesen Bereich zu begeistern, viel weitere Kreise zieht und nicht mit einzelnen Pilotprojekten gelöst werden kann.

3. Einstellung der Frauen zum Computer

Die von Roberts befragten Frauen zeigen ein ungezwungenes Verhältnis zum Computer. Keine verfügt über einen ausgeprägten Enthusiasmus für mechanische oder technische Dinge. Für sie sind Computer Werkzeuge, genauso wie Haushaltsgeräte oder Autos. Computer sind aus ihrer Sicht entmystifiziert, dienen praktischen Zwecken und gelten als Selbstverständlichkeit. Sie verwenden Computer für pragmatische Dinge. Im Vordergrund stehen dabei weniger hard facts wie Rechenleistung etc., sondern dessen praktische Bedeutung.

Werden Schülerinnen und Schüler nach ihrem Verhältnis zur Technik befragt, kann festgestellt werden, daß Jungen Interesse und Spaß anführten, während die Mädchen die praktische Nützlichkeit für eine Anwendung im späteren Beruf angeben (Fauser/Schreiber 1990, zitiert nach Weinbach, 1991; Sklorz-Weiner, 1989; Horstkemper, 1991). Diepelhofer-Stiem (1991) weist daruf hin, daß Informatikstudentinnen keine so ausgeprägt gefühlsmäßige Bindung zum Computer haben wie Männer.

Roberts Frauen bezeichnen ihre Denkweise als logisch, finden sie durchaus vergleichbar mit dem Computer. Sie ziehen keine Vergleiche mit männlichem Denkemuster. All subjects were bemused that computers might be described as reflecting male styles of thinking (S.106). Eine IT-Consultant Expertin erklärte in einem Interview in der Februar-Ausgabe des Profil, einem wöchentlichen Nachrichtenmagazin, daß Frauen dazu tendieren, die Probleme umfassender zu betrachten. Andere dazu befragte Expertinnen stellten fest, daß Frauen global strukturieren, während Männer punktueller vorgehen. Zusammenhänge zwischen den einzelnen Fakten herstellen zu können, gehören zu einer erfolgreichen Strategie im IT-Bereich, wo viele Einzelinformationen miteinander in Bezug gebracht werden müssen.

Frauen eignen sich technisches Wissen in diesem Bereich auch anders an als Männer. So sind sie zum Beispiel vorsichtiger im Umgang oder befürchten etwas kaputt zu machen (Collmer, 1997). Auch Weinbach (1990) weist darauf hin, daß sich bei der Computerbenutzung in Schulen Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen zeigen. Während Jungen nach der Versuchs- und Irrtumsmethode vorgehen, kann bei Mädchen ein planvolles Agieren festgestellt werden. Die Ursache dafür liegt unter anderem in der pragmatischeren Anwendung des Compouters, aber auch in der Furcht etwas kaputt zu machen. Bei Jungen ist beim Arbeiten am Computer konkurrierendes Verhalten festzustellen, während die Mädchen gruppenorientierter arbeiten.

Die meisten von Roberts befragten Frauen kamen zufällig in den Bereich der Informations- und Computertechnologie, viele von ihnen, während sie auf Jobsuche waren. Im Vordergrund stand bei ihnen nicht, ihre Kompetenzen in den Dienst anderer zu stellen oder ihr Wunsch mit Menschen zu arbeiten. Jedoch haben diese Aspekte Einfluß auf ihre Arbeitszufriedenheit. Sie wählten diese Karriere aus ökonomischen Gründen. Gespräche mit Frauen, die im IT-Bereich tätig sind, zeigen ebenfalls, daß sie zufällig reingerutscht sind (vgl. Profil-Interview). Diese Aussagen in Roberts Untersuchung stehen im Gegensatz zu vielen anderen Studien, in denen Frauen als Gründe für ihre Berufs- bzw. Karrierewahl das Helfen anderer Menschen und der Umgang mit anderen Leuten nannten (Greenfield, Holloway & Remus, 1982, zitiert nach Sklorz-Weiner). Frauen mangelndes Interesse am Computer zuzuschreiben ist, wie nun schon des öfteren wiederholt, nicht vollkommen korrekt. Oftmals sind es einfach lebenspraktische Umstände, die eine genauere Auseinandersetzung damit nicht ermöglichen oder zumindest erschweren. Odebrett (1993) untersuchte Sekretärinnen und Schreibkräfte, die sie in Tüftlerinnen und Nicht-Tüftlerinnen unterteilte. Dabei stelle sie fest, daß Frauen nicht mangelndes Interesse vorgeworfen werden kann, vielmehr sind es andere, technikunabhängige Umstände, die eine effiziente Weiterbildung unmöglich machen. Dazu zählen uner anderem die Unvereinbarkeit von Forbildungszeiten (z.B. am Wochenende oder abends) und Familienbetreuung.

Sind Frauen kritischer gegenüber Computern? Roberts stellt keine explizite Kritik ihrer Frauen gegenüber der Computertechnologie fest. Andere Studien zeigen jedoch, daß Frauen technologische Entwicklungen und deren Folgen kritischer beurteilen und ihnen ambivalenter gegenüberstehen (Jaufmann und Jänisch, 1990, zitiert nach Dieplhofer-Stiem, 1991; Horstkemper, 1991). Diskutiert wird diese Entwicklung auch im Bereich von Internet und die sozialen Auswirkungen der unterschiedlichen Zugänglichkeit zur einem globalen Informationsnetz.

4. Erfahrungen im Bereich der Arbeitskultur von nicht-traditionell weiblichen Berufen

Keine der Frauen in Roberts Interviews betrachtet ihre Tätigkeit in der Computerbranche als nicht-traditionell. Auf der einen Seite versuchen sie zwar als Mitglieder der Women in Technology Special Interest Group of the South Australien Branch of Computer Society mehr Frauen in diese Domäne zu bekommen. Auf der anderen Seite findet sich in Roberts Arbeit ein interessantes Statement. Sie nimmt an, daß die Frauen keine Vorreiterinnen für frauenadäquatere Veränderungen im Technologiebereich sind. Konkret spricht Roberts von der sozialen Verantwortung in der Computertechnologie. Die Frauen leisten zwar exzellente Arbeit innerhalb einer männlichen Domäne, scheinen aber nicht ambitioniert, diese frauengerechter zu gestalten. Die Gründe für diese angeblich mangelnde Bereitschaft geben Anlaß für einige Hypothesen. Eine Ursache mag darin liegen, daß sie unter der Annahme, jede Frau könne es schaffen, keine speziellen Änderungen vornehmen wollen. Eventuell sind sie selbst für einen frauenspezifischen Bereich nicht (mehr) sensibilisiert, da sie es gewöhnt sind in einem männerdominierten Gebiet zu arbeiten. Auch ihre Erziehung könnte durchaus dazu beigetragen haben, daß frauenspezfische Themen nicht im Vordergrund standen, da zum größten Teil kein geschlechtstypisches Verhalten an den Tag gelegt wurde. Weiters mag die Aufgabenstellung in ihrem Beruf sich derart auf fachliches Können konzentrieren, daß dieses Thema nicht von Relevanz zu sein scheint.

5. Was kann getan werden, um die Entscheidung für und den Weg in technisch-naturwissenschaftliche Berufsfelder zu erleichtern?

Welche Möglichkeiten bestehen noch, um Technikdistanz von Frauen zu verringern? Im folgenden werden einige Ideen vorgestellt.

  • Lehrgänge und neue Berufsrichtungen, die ein Verbindungsglied zwischen Umwelt, Technik und Humanwissenschaften darstellen, sollten vermehrt in die öffentliche Aufmerksamkeit gelangen. Dazu zählen u.a. Bereiche neuer Umwelttechniken, Medien usw. (Wald, 1992). Diese bieten für Frauen viele Möglichkeiten. Zum einen handelt es sich um sehr junge Berufsfelder, zum anderen müssen Tätigkeitsbereiche erst gefunden und entwickelt werden. Mitarbeiterinnen von Mädchenberatungsstellen berichten darüber, daß besonders hier sich Chancen für Frauen bieten und viele sehr erfolgreich sind.
  • Physik- und Chemieunterricht in den Schulen sollte so gestaltet sein, daß der vermittelte Inhalt zum praktischen Leben in Verbindung gebracht werden kann und SchülerInen das Wissen in ihrem unmittelbaren Lebensbereich anwenden können. Das Lernen von scheinbar abstrakten und sinnlosen Formeln führt eher zu einem Widerwillen, sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen. Das Jahresheft 1999 für pädagogische Zeitschriften mit dem Titel Mensch-Natur-Technik bietet interessante Ansätze, um im Unterricht Naturwissenschaft und Technik greifbarer zu gestalten. Zum Beispiel der Sinn von Umweltschutz im Physikunterricht, Klima- und Wetterverhältnisse.
  • Nichtrollentypisches Verhalten kann gefördert werden durch weibliche Vorbilder in Bilderbüchern, Lehrbüchern und anderen Medien. Der Umgang mit Technik- und Konstruktionsspielzeug sollte Mädchen verstärkt ermöglicht werden.
  • Technischer Inhatl sollte in einem für Mädchen geeigneten Kontext angeboten werden. Schülerinnen finden Inhalte, die sich kritisch mit Risikofaktoren der Technik auseinandersetzen, praktisch anwendbar sind und soziale Beispiele anbieten, interessanter (Weinbach, 1991). Software für Computerspiele nicht nur nach männlichen Vorstellungen konzipieren, sondern auch den Ansprüchen von Mädchen anpassen.
  • Unterricht getrennt nach Geschlechtern in den naturwissenschaftlichen Fächern könnte die Hemmschwelle bei Schülerinnen abbauen, da sie ihre Fähigkeiten, ihr Wissen etc. ohne Angst davor, von ihren Mitschülern verdrängt zu werden, ausüben können. Wie schon erwähnt, tendieren Mädchen bei der Computernutzung zu partnerschaftlichem Arbeiten.
  • Wenn es darum geht, EDV-Schulungen für Frauen geeignet anzubieten, sind zeitliche Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, die eine Vereinbarung von Familie und Beruf ermöglichen. In diesen Schulungen wäre es auch begrüßenswert, wenn nicht nur auf alltägliche, speziell firmenbezogene Probleme hingearbeitet wird, sondern eine umfassendere Aus- und Weiterbildung, die das technische Verständnis allgemein vergrößern, konzipiert würde. Eventuell könnte man damit auch zu einer Entmystifizierung des Computers beitragen (Odebrett, 1993). Damit kann die Scheu, den Computer anzufassen und etwas zu ruinieren, beseitigt werden.
  • Auflösung des Exotinnenstatus von Frauen in technischen Berufen, wie Hestermann (1999) ihre Forderung beschreibt. Janshen und Rudolph (1987) sehen einen wichtigen Aspekt darin, Frauen in diesen Bereichen nicht als Super- oder Ausnahmefrau zu betrachten, sondern zu vermitteln, daß es sich, in ihrem Fall bei Ingenieurinnen, um einen ganz normalen Beruf handelt.
  • Weiterbildung für LehrerInnen, KindergärtnerInnen und anderen professionellen Erziehungspersonen, um die Akzeptanz von geschlechtsuntypischem Verhalten zu fördern.
  • Bildung eines größeren Netzwerkes von Vereinen und Initiativen, die Mädchen und Frauen in nicht-traditionellen Berufen fördern sowie vermehrte Kooperation mit Unternehmen in der Wirtschaft. In der Praxis zeigt sich immer wieder, daß Einzelaktionen oft nur den Exotinnenstatus, wie Janshen und Rudolf formuliern, festigen und solche Unternehmungen als Elfenbeintürmchenhandlungen erscheinen lassen bei Außenstehenden. Jedoch ist es wichtig, Frauen in solchen Berufen als normal und nicht außergwwöhnlich zu präsentieren. Dies sollte auch in der Arbeitswelt forciert werden, woraus sich eine verstärkte Einbindung in den Berufsbereich ergibt.

Literaturverzeichnis

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