© Petra Öllinger
Erschienen in „an.schläge – das feministische Magazin“, November 2003.
Ich habe mich entschlossen: Ich mache mit bei der Mission zum Mars. Die Reaktionen auf mein Ziel sind zwar unterschiedlich und schwanken zwischen Du spinnst und Super!. Immerhin wird mir zumeist zugetraut, dass ich diese Entscheidung getroffen habe und alle Konsequenzen ziehe. Szenenwechsel – auf der Erde: Und willst du auch Kinder? Meinem klaren Nein! folgt garantiert der Nachsatz meiner Gesprächspartnerinnen: Das wird schon noch. Das kann man so ja gar nicht sagen. Da kommt dann plötzlich der Richtige. Du wirst sehen, eines Tages ist es soweit. Was ist dann soweit? Explodiert meine biologische Uhr? Zieht es mich dann doch unwiderstehlich hin zu meinen naturgegeben Trieben von Mutterliebe und Kinderwunsch?
Ich WILL trotzdem keinen Nachwuchs. Du KÖNNTEST aber. Bist ja gesund, körperlich zumindest. Du MUSST nur WOLLEN. Tatsache ist, meine Entscheidung zu Kinderlosigkeit, deren Konsequenzen ebenfalls ich zu ziehen habe, wird in den seltensten Fällen akzeptiert. Nicht selten hagelte es den Vorwurf – und zwar bereits vor Gehrers absurder Party-Peinlichkeit – wer denn bitteschön die Pensionen bezahlen soll? Frauen mit nicht vorhandenem Wunsch nach Nachwuchs verantwortlich zu machen für leere Pensionskassen? Das war sogar mir zu viel. Seitdem bleibt es beim klaren, schlichten Nein. Ohne Erklärung. Ohne Rechtfertigung. Beides praktizierte ich noch bis vor wenigen Jahren. Beispielsweise anhand meiner Ausbildungen inklusive Studium. Ich habe nicht Zeit und Energie investiert, um jetzt Babypops trocken zu legen. (Als grantige Formulierung.) Oder anhand der finanziellen Situation. Kinder kosten Geld. Und da sind keine Luxusartikel wie Handy, CD-Player oder Extra-Flimmerkiste enthalten, geschweige denn die neuesten Renner auf dem Spielzeugmarkt. Schon mal nachgerechnet was eine gute Schulbildung kostet? (Als bemüht freundliche Erklärung.) Aber auch auf mein schlichtes Nein folgt häufig ein sehr beliebtes Reaktions-Wort: Egoismus. Ist ja leicht nachzuvollziehen. Frauen ohne Kinder (gewollt! wohlgemerkt, ungewollt unschwanger kommt ja sowieso einem bemitleidenswerten Sonderstatus gleich) sind wahlweise Luxusweibchen oder karrieregeil oder schlichtweg nicht normal. Da hilft es auch nichts, wenn Frau sich für unterschiedliche gesellschaftliche Belange einsetzt. Zum Beispiel gleicher Lohn von Frauen und Männer für gleichwertige Arbeit, dann wäre oben genanntes finanzielles Problem etwas gemildert… Übrigens, diese Reaktionen stammen nicht ausschließlich von Vertreterinnen der Mütter- oder Großmüttergeneration. Im Gegenteil, häufig stoße ich sogar auf deren Verständnis. Bedenklich stimmt mich, dass dieses Nicht-Akzeptieren einer anderen Lebenswelt häufig von jungen Frauen formuliert wird.
Angeregt durch eine Freundin, gärt in mir die Idee, den Club der Kinderlosen zu gründen. Denn in Diskussionen zu diesem Thema erlebe ich gewollt kinderlose Frauen immer wieder als Einzelargumentierende. Und als warnendes Beispiel dafür, was passiert, wenn Frau keinen Mann abbekommt – da hilft nur eines: Kompensation des Nicht-Genügens für die Männerwelt durch Ablehnung aller weiblichen Instinkte. Eh klar. Die Möglichkeit einer künstlichen Befruchtung, mit der Option, dass der Spender anonym bleibt, und die Entscheidung dafür, das Kind mannlos großzuziehen? Wenn diese Überlegung überhaupt Eingang findet in die Auseinandersetzung, besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, sie als abstruse Idee abzutun – das Kind, die Kinder, brauchen doch Mutter UND Vater – auch wenn entwicklungspsychologische Erkenntnisse völlig andere Ergebnisse aufweisen. Und Väter nach wie vor eher durch Abwesenheit in punkto Kindererziehung und -betreuung glänzen. Trotzdem erlebe ich immer wieder bei Männern einen großen Wunsch nach Nachwuchs, und sie stoßen damit auf Entzücken. Auf der einen Seite keine Rede mehr von männlicher Widernatürlichkeit, um im biologistischen Argumentationssumpf zu bleiben. Auf der anderen Seite ständig die große Verwunderung, warum Frau sich ihrer wahren Natur widersetzt.
Große Überraschung immer wieder, wenn ich nicht in Begeisterungsstürme wie Jööö! und Eieiei. ausbreche, wenn mir Babys entgegengestreckt werden. Kindchenschema absolut? Mitnichten. Die Reduktion auf biologistische Aspekte ist nicht haltbar. Kinderwunsch ist kein angeborener weiblicher Instinkt. …,dass Mutterliebe und Kindeswunsch den Frauen wohl weniger angeboren sind, sondern sozial erzeugt werden und sich entwickeln müssen…, formulieren Christiane Schmerl und Lindy Ziebell in ihrem Beitrag im Buch Frauen, die sich keine Kinder wünschen. Ich bin wohl dieser Entwicklung entwischt – mit allen Konsequenzen.