Welche im Wartezimmer sitzt …

© Petra Öllinger

Erschienen in „anschläge – das feministische Magazin“, März 2005.

… a) soll nicht mit Steinen werfen oder b) hat meist nicht viel zu lachen oder c) wandelt durch den Blätterwald, wo sich Adelige und Promis Gute Nacht sagen.

Egal ob Frau in der Praxis von ZahnärztInnen, GynäkologInnen, HeilmasseurInnen oder von TiermedizinerInnen ihres Termines harrt – Entspannungstechniken zu kennen ist gut („einatmen – ausatmen“, „Mein linker Arm ist schwer“), sich hemmungslos durch „Woche der Frau“, „Die neue Frau“,“Heim und Welt – Alles für die Frau“, „die aktuelle“, „Das goldene Blatt“ herzzuschmerzen ist eindeutig besser. Gleichzeitig ist die Lektüre eine passende Gelegenheit, eigene Sorgen hintanzustellen. Die sind ja wirklich lächerlich im Vergleich zu Prinz Charles‘ und Camillas Bedenken (für alle, die es noch immer nicht wissen, das ist seine Freundin), ob sie denn nun George W. Bush (eh schon wissen) und seine Laura im Weißen Haus besuchen dürfen. Für alle die es noch nicht wissen: laut Protokoll ist der Empfang eines in wilder Ehe lebenden Paares, „vor allem aber dessen Geschichte“ (!) nicht möglich“. Und was, wenn Camilla sich als Camillo entpuppt?
Profiblätterinnen behaupten, es gäbe mehrere Möglichkeiten, sich authentischen Berichten über Königshäuser-Angehörige, Funk-und-Fernseh-Berühmtheiten und Didel-Dudel-Stars anzupirschen. Auszugsweise seien hier vier vorgestellt.

Strategie 1. Mutterrollen. Für alle, die es noch immer nicht wissen – Julia Roberts hat Zwillinge und ist „als Mutter überfordert“. „Julias Mutterglück wird für die Menschen um sie herum zum Albtraum! Vor allem Ehemann Danny soll unter der übertriebenen Fürsorge und ihrer Hysterie leiden.“ Liebe Alleinerzieherinnen, jetzt wisst ihr hoffentlich, warum ihr solo dasteht. Kürzlich sorgte ein britischer Königsspross mit seinem Hakenkreuz-auf-Armbinde-Auftritt bei einem Fest für einen Skandal. Der Bube hat „anscheinend nie den Tod seiner Mutter verkraftet“ – so die Erklärung aus dem Blätterwald. Liebe Mütter, wenn eure Kinde demnächst mit neonazistischem Gedankengut daherkommen, dann tun sie das nur aus Gram. Und überhaupt: Ihr seid sowieso immer an allem schuld.

Strategie 2. Beschützerinstinkte. „Jetzt stellt er sich schützend vor seine schöne Schwiegertochter“ so die Überschrift zum Artikel über König Juan Carlos‘ Instinkt-Entdeckung (für alle, die es noch immer nicht wissen, das ist der König von Spanien). Auf die Fährte lenkte ihn „die zerbrechlich wirkende Letitzia“. Jedoch, es muss nicht unbedingt ein Blaublütiger sein, der eine unter seine Fittiche nimmt und sagt, wo es langgeht. Da tut’s auch der Al Bano (ja, der mit der Romina gesungen hat), der das gar nicht mag, wenn sich seine Lebensgefährtin in einem „gewagten Brautkleid“ zeigt und „immer weniger in der wunderschönen 1000-Quadratmeter-Villa“ ist. Böses Frauchen!

Strategie 3. Verdienstmöglichkeiten. Geldquelle Nummer eins sind meist Kreuzworträtsel. Einige Verlage sind nicht knauserig und winken mit Gewinnen von 1 x 500 Euro oder 5 x 100 Euro. Welche fleißig rätselt, wie sie zum Beispiel nächstes Monat die Sozialversicherung bezahlen soll … Profiblätterinnen verfügen über mehrere Pseudonyme und Postfachadressen, das erhöht die Abräum-Wahrscheinlichkeit. Welche es mit dem Kasterl-Ausfüllen nicht so hat, kann über eigene Erfahrungen schreiben in der Rubrik „LesER berichten“, dafür sind immerhin 20 Euro zu lukrieren. Kohle zu machen ist auch mit selbstgebastelter Lyrik (in der Rubrik LesERgedicht) – ebenfalls 20 Euro. Welche vom schnöden Mammon nichts wissen will, hat immerhin die Chance wertvolle Sachpreise abzustauben. Zum Beispiel ein Herz aus 750er Gelbgold.. Wie viele Monate Sozialversicherung da wohl drinnenstecken?

Strategie 4. Kuriose Bildunterschriften. Unfreiwilliger Brachialhumor kann den schlimmsten abzuwartenden Termin relativieren. „Bilder, die Bände sprechen: Jennifer Aniston tritt schon ganz locker ohne Ehering auf (in den USA trägt man links). Aber Brad Pitt leidet und verbirgt seinen Ehering unter schwarzen Handschuhen …“ Das hat Schauspielermann davon, wenn er Schauspielerfrau mit einer anderen betrügt. Wir wissen schon: Keine werfe den ersten Stein, weder im Wartezimmer noch im Blätterwald, schon gar nicht lachend.