Hanno Millesi – Im Museum der Augenblicke

© Petra Öllinger
erschienen im evolver, März 2003

Haben Sie sich schon einmal gefragt, wenn Sie eine Ausstellung oder ein Museum besuchten, ob Sie beobachtet werden? Ob und welche Gedanken sie sich über Sie machen? Sie, die AufseherInnen und MuseumswärterInnen. In der Erzählung Im Museum der Augenblicke des österreichischen Schriftstellers Hanno Millesi ist klar, daß die WächterInnen in den Kulturtempeln von ganz anderen Gedanken geplagt werden. Nach einer Rede des Museumsdirektors (Eigentlich ein Würstchen, das in den Ansprachen immer versucht, sich wie einer von ihnen zu geben.), weiß der Hauptakteur und Museumswärter Arthur Werdenau: aufgrund von Sparmaßnahmen werden drei Leute ihre Arbeit verlieren, inklusive ihm selbst. Werdenau weiß Abhilfe. Zeit zum Nachdenken hat er genug zwischen seinen Pflichten, wie morgendliches Bodenwischen, Rundendrehen in seinem Saal, in dem seine Installation steht. Unaufgeregt gelingt es ihm, nicht zu einem Pappmännchen zu werden, daß heruntergeschossen wird von den Obrigkeiten – er reduziert das Personal um drei Menschen. Die (toten) Körper werden Teil eines Kunstwerkes, fallen aus dem Fenster, verschwinden in Abstellkammern. Lamentierend, selbstbemitleidend, innerlich zornig und fluchend, äußerlich ruhig und gelassen, gleitet Werdenau durch seinen Alltag, argwöhnisch beäugt von den KollegInnen ob seines anders-Seins und seiner Weigerung, deren Spielregeln zu folgen. Gleitend auch der Erzählstil Hanno Millesis. Gleichmäßig ruhig führt er durch das Museum der Augenblicke, durch die Kluft zwischen dichtgewobener Hilflosigkeit und dem wütenden Wunsch nach Ausbruch. Eine Sprache, die einen nicht unaufgeregt läßt.

Hanno Millesi – Im Museum der Augenblicke. Triton Verlag, 2003