Schnäppchen-Junkie

© Petra Öllinger

Erschienen in „anschläge – das feministische Magazin“, September 2004.

Ich bin entsetzt! M. hat es wirklich getan! Eine meiner Freundinnen hat ihren Preis, den sie bei MEINER Tombola gewonnen hat, auf dem Heimweg zurück nach Linz ausgesetzt. Auf einem Parkplatz irgendwo zwischen St. Pölten und Amstetten. „Das Ding war sooooo hässlich , ich konnte den Anblick nicht ertragen. Und vor allem war es unpraktisch.“ Unpraktisch? Na ja. Hässlich? Ein dreidimensionales Glasherz, darin wogten Rosen aus Plastik in wässrigem (oder was auch immer) Milieu. Und nun sitzt es hilflos auf einem Parkplatz fest. Genauso hilflos wie das kleine Gremlin-Plüschtier in einem U-Bahn-Waggon, das eine andere Freundin, L., auf dem Nachhauseweg von ebendieser, MEINER, Tombola dort zurückgelassen hat. Auf ihre Frage, wer denn solch ein „Klumpert“ für die Tombola gespendet hätte, gab es meinerseits bis jetzt nur beharrliches Schweigen. Nun ist jedoch Schluss damit. Ich fröne (manchmal gemeinsam mit einer anderen Freundin, einer, die keine Glasherzen auf Parklätzen und keine Gremlins in U-Bahnen aussetzt!) dem Ramschladen-Trip. Jawohl, jetzt ist es raus! Ich suche „Proc€nt“, „75 Cent“ und andere Schrott-Shops heim und schaue und staune und freue mich. Ich muss nicht immer etwas kaufen. Ich bin schon glücklich, wenn ich durch diese Paradiese auf Erden wandeln darf. Die Kostbarkeiten aus Kunststoff, Kunststein, Kunstfaser angreifen. Rätseln, wozu sie dienen könnten – was nicht immer einfach ist, herauszubekommen. Und wenn ich mit besagter Freundin unterwegs bin, dann kommentieren wir diese Wunderbarkeiten jubelnd ob unserer unbändigen Freude: „Jööö, schau ein Kugelschreiber mit lila Haaren!“ „Aaaah, ein singendes Kaffeehäferl mit Knollenase!“

Wenn ich etwas kaufe, dann ganz, ganz, ganz selten für mich selbst. Ich bin vorausschauend: der nächste Geburtstag von E. kommt bestimmt, der von K. auch, Weihnachten naht. Warum warten, wenn mich jetzt die passenden Präsente anlachen. Die eingangs beschriebenen Taten von M. und L. haben mich dazu bewogen, nur mehr praktische Dinge zu schenken. Also keine Schneekugeln mehr mit Figuren in wässrigem (oder was auch immer) Milieu. Keine Holzbirnen mit Lachgesicht, Baumelfüßen und Feder zum Aufhängen. Keine Elfenschale, lieblich von Hand bemalt aus witterungsfestem Kunststein in „anmutiger Schönheit“. Kein Kunststoff-Party-Baum zum Bestücken mit Würstchen, Gürkchen und Tomaten. Keine Dekovogerl mit Drahtfüßen an Zweigen. Kein Igelquartett aus Steinharz und selbstklebend. Keine leuchtenden Steingesichter. Kein Mozzarella-Schneider, kein Ei-Köpfer, keine Servietten-Fee, kein Teesäckchen-Kasterl.
Stattdessen nützliche Deodorants in giftgrünen oder knallblauen Dosen (garantiert nicht FCKW-frei). „Fear – for men“ und „Fire-for men“, riechen nicht übel, der T. wird’s schon mögen. Genauso wie den Nasenhaarschneider. Da kann er dann in Sekundenschnelle alles absäbeln, was ihm so im Gesicht wuchert – Nasen-, Ohrenhaare und Augenbrauen! Ab ins Einkaufskörbchen. Apropos Körbchen – sollen sie nur sehen, wie praktisch ich schenken kann. Dann bekommt die K. zu Weihnachten halt statt des Eierservierers für 12 Eierhälften einen BH-Verschlusseinsatz, passend für ALLE Körbchengrößen. Damit kann sie ihre BHs, wenn sie zu eng geworden sind, um bis zu 9,5 cm vergrößern. Für A.’s Geburtstag habe ich ebenfalls ein Deo – für den Staubsauger. Leider muss somit sie auf den goldenen Steingutteller in Sonnenform mit Dekofrüchten verzichten – und den bereits erwähnten Kuli mit lila Haaren.

Sollten meine Trips durch die Geschäfte nicht einträglich sein, dann blättere ich im Katalog „Die moderne Hausfrau“ – da finde ich garantiert Praktisches (und erfreue mich zusätzlich an wundervoll formulierten Texten). Zum Beispiel beim Wetterhäuschen aus Holz und Kunststoff. „Zeigt sich die fesche Maid, wird die Sonne scheinen; kommt der stramme Bursche heraus, ist mit Regenwetter zu rechnen.“ Wer SiegerIn sein will im Kampf gegen Urinstein, bekommt den Spezial-WC-Reiniger zu Ostern von mir versteckt. Da soll noch eine/r meckern wegen mangelnder Praktikabilität. Falls doch, veranstalte ich wieder eine Tombola – mit der Verpflichtung, das „Klumpert“, lieblich von Hand bemalt, nach Hause mit zunehmen …